Sollte Net Promoter Score durch andere Customer Feedback Metrics ergänzt werden?

Einleitung

Die meisten Unternehmen erfassen Kundenfeedback durch Befragungen. Die von ihnen verwendeten Customer Feedback Metrics (CFMs) unterscheiden sich jedoch: Einige messen Kundenzufriedenheit, andere verwenden den Net Promoter Score (NPS) und wieder andere berechnen einen Kundenzufriedenheitsindex (CSI) – ein Mass für die Kundenzufriedenheit, das aus verschiedenen Indikatoren besteht. Insbesondere der NPS ist zu einer beliebten Kennzahl geworden, seit Reichheld (2003) ihn im Harvard Business Review veröffentlicht hat. Der NPS basiert auf der Wahrscheinlichkeit, ein Unternehmen weiterzuempfehlen, gemessen auf einer 11-Punkte-Skala. Befragte, die eine Bewertung zwischen 0 und 6 abgeben, gelten als Detractors, Befragte, die eine Bewertung zwischen 7 und 8 abgeben, gelten als Passives, und Befragte, die eine Bewertung zwischen 9 und 10 abgeben, gelten als Promoters. NPS ist definiert als Anteil Promoters minus Anteil Detractors. Der Wertebereich liegt somit zwischen –100 % und +100 %.

Laut Bain & Company (2020) gaben 77 % der an einer internationalen Umfrage teilnehmenden 1200 Führungskräfte an, dass ihre Unternehmen den NPS derzeit nutzen oder bis 2023 nutzen werden. Dennoch weisen sowohl Wissenschaftler:innen als auch Praktiker:innen auf dessen Nachteile hin:

  • – Der NPS erfordert einen grösseren Stichprobenumfang als CFMs, die auf Durchschnittsberechnungen beruhen.
  • – Er ist anfälliger gegenüber kulturellen Unterschieden als andere CFMs. Insbesondere in Ländern wie Japan oder Korea ist der NPS in der Regel niedriger.
  • – Er erklärt Zielgrössen wie Umsatzwachstum oder Kundenabwanderung nicht besser als andere CFMs.

In Bezug auf den letzten Aspekt haben sich bisherige Untersuchungen meist darauf konzentriert, den NPS mit anderen CFMs hinsichtlich der Fähigkeit zu vergleichen, Zielgrössen wie Umsatzwachstum oder Kundenabwanderung zu erklären – insbesondere, weil Reichheld (2003) auf der Grundlage von Korrelationsanalysen behauptet hatte, dass NPS in vielen Branchen die effektivste Kennzahl sei. Dabei wurden jedoch folgende Aspekte in der Regel nicht berücksichtigt:

  • – Kombinationen von CFMs,
  • – CFMs, die sich auf die Determinanten der Kundenzufriedenheit beziehen und
  • – CFMs mit affektiven Komponenten.
Abbildung 1: Kategorisierung der CFMs in bisheriger Forschung

Bisherige Forschung

Morgan und Rego (2006) antworten auf Reichheld (2003) mit Daten aus den USA. Sie testen sechs verschiedene CFMs sowie sechs verschiedene Zielgrössen und stellen fest, dass die Kundenzufriedenheit – gemessen mit drei Items gemäss American Customer Satisfaction Index (ACSI) – ein signifikanter Prädiktor für alle Zielgrössen ist, «Net Promoters» jedoch nicht. Sie messen jedoch nicht den NPS, wie von Reichheld (2003) vorgeschlagen. Daher können «Net Promoters» und NPS nicht verglichen werden.
Keiningham et al. (2007) stellen auf der Grundlage von Daten aus Norwegen fest, dass keine der elf untersuchten CFMs ein signifikanter Prädiktor für Umsatzwachstum ist. Van Doorn et al. (2013) wiederholen die Untersuchung von Morgan und Rego (2006) in den Niederlanden, messen aber den NPS, wie ursprünglich von Reichheld (2003) vorgeschlagen. Sie stellen fest, dass alle CFMs – mit Ausnahme der Loyalitätsabsichten – signifikante Prädiktoren für das aktuelle (aber nicht für das zukünftige) Umsatzwachstum sind.

Ebenfalls in den Niederlanden betrachten De Haan et al. (2015) fünf CFMs und konzentrieren sich auf die Kundenabwanderung als Zielgrösse. Sie stellen fest, dass auf Unternehmensebene die Abwanderung in 10 von 18 Branchen durch mindestens eine CFM vorhergesagt werden kann. Der NPS ist in zwei Branchen die beste CFM.

Insgesamt bestätigt die bisherige Forschung somit, dass es keine einzelne, am besten geeignete CFM gibt, um insbesondere Zielgrössen wie Umsatzwachstum oder Kundenabwanderung zu erklären. Die meisten Untersuchungen berücksichtigen keine Kombinationen von CFMs. Ausnahmen sind Keiningham et al. (2007) und De Haan et al. (2015). Keiningham et al. (2007) finden keine Verbesserung, wenn sie Kombinationen von CFMs verwenden. De Haan et al. (2015) stellen fest, dass sich die Vorhersage von Kundenabwanderung verbessert, wenn NPS mit Kundenzufriedenheit oder Customer Effort Score (CES) mit Kundenzufriedenheit kombiniert wird.

Abbildung 1 gibt einen zusammenfassenden Überblick über die in der bisherigen Forschung verwendeten CFMs. Daraus leiten wir die folgenden Schlussfolgerungen und Forschungslücken ab:

  1. Die meisten CFMs in bisheriger Forschung beziehen sich auf die Kundenzufriedenheit oder auf die Konsequenzen der Kundenzufriedenheit (z. B. NPS, Weiterempfehlungsabsicht, Wiederkaufabsicht, Loyalitätsabsichten).
  2. Determinanten der Kundenzufriedenheit wurden meist nicht berücksichtigt. Customer Effort Score (CES) ist, wie von Dixon et al. (2010) vorgeschlagen, eine Ausnahme.
  3. Die meisten der in Abbildung 1 dargestellten CFMs haben kognitive oder konative Komponenten. Daher betrachten wir CFMs, die sich auf die Determinanten der Kundenzufriedenheit beziehen und affektive Komponenten aufweisen, als Forschungslücke und schlagen vor, dass Unternehmen Emotionen messen sollten.
  4. Wie bereits erwähnt, wurden in bisheriger Forschung meist keine Kombinationen von CFMs berücksichtigt, was wir als weitere Forschungslücke betrachten. Daher schlagen wir vor, dass Unternehmen sowohl NPS als auch Emotionen messen sollten.

Messung von Emotionen

Obwohl Emotionen wichtige Determinanten der Kundenzufriedenheit sind, werden sie in der Praxis selten gemessen. Emotionen können unter anderem durch die Analyse von Texten oder durch die Analyse von Gesichtsausdrücken erfasst werden. Ebenso möglich ist die Messung durch Befragungen. Sowohl Wissenschaftler:innen als auch Praktiker:innen haben Messinstrumente für Befragungen entwickelt. Shaw (2007) schlägt vor, 20 Emotionen zu verwenden, davon zwölf mit positiver und acht mit negativer Richtung (siehe Tabelle 1). Er schlägt vor, Net Emotional Value (NEV) als positive Emotionen minus negative Emotionen zu berechnen. Daher liegt der Wertebereich zwischen –8 (wenn Kund:innen nur negative Emotionen haben) und +12 (wenn Kund:innen nur positive Emotionen haben).

Tabelle 1: Emotionen als Grundlage des NEV (Shaw, 2007)

Auf dieser Grundlage untersuchen wir die folgenden Forschungsfragen:

  • – Wie gut erklärt NPS Zielgrössen?
  • – Wie gut erklären Emotionen – gemessen durch NEV – Zielgrössen?
  • – Wie gut erklärt eine Kombination aus NPS und Emotionen – gemessen durch NEV – Zielgrössen?

Methodik

Wir haben n=599 Kund:innen von Mobilfunkbetreibern in Deutschland über ein ISO-zertifiziertes Online-Access-Panel befragt. Wir messen NPS wie von Reichheld (2003) vorgeschlagen und NEV wie von Shaw (2007) empfohlen. NPS und NEV sind somit die in unserer Studie untersuchten CFMs. Zielgössen sind die Wiederkaufsabsicht, die Cross-Buying-Absicht und der durchschnittliche Monatsumsatz.

Ergebnisse

Tabelle 2 zeigt die deskriptiven Ergebnisse für die 20 Emotionen (Skala 1-5). Insgesamt sind die drei positiven Emotionen mit dem höchsten Mittelwert vertrauensvoll, sicher und interessiert, die drei negativen Emotionen mit dem höchsten Mittelwert vernachlässigt, unzufrieden und enttäuscht. Die Differenz in n ist auf eine «weiss nicht»-Option zurückzuführen.

Tabelle 2: Deskriptive Ergebnisse für NEV

Zur Berechnung des NEV auf Ebene der Befragten verwenden wir die Top-2-Box-Bewertungen. Wir gehen davon aus, dass die Befragten eine Emotion haben, wenn sie diese mit einer 4 oder 5 bewerten. Es wurden nur Befragte berücksichtigt, die alle Emotionen bewertet haben, was zu einer Stichprobengrösse von n=464 führt. Insgesamt erreichen 16,8 % aller Befragten einen negativen NEV (–8 bis –1), 16,4 % einen neutralen NEV (0) und 66,8 % einen positiven NEV (+1 bis +12).

Tabelle 3: ANOVA-Ergebnisse

Um die Forschungsfragen zu untersuchen, führen wir ANOVAs mit drei verschiedenen Zielgrössen, d.h. abhängigen Variablen, durch: Wiederkaufabsicht, Cross-Buying-Absicht und durchschnittlicher Monatsumsatz. Wir testen drei Modelle, die sich in den unabhängigen Variablen unterscheiden: Modell 1 verwendet nur NPS, Modell 2 nur NEV und Modell 3 verwendet sowohl NPS als auch NEV. Für NPS verwenden wir die drei Kategorien Detractors, Passives und Promoters. Für NEV verwenden wir die Kategorien negativ, neutral und positiv. Mit Modell 1 und Modell 2 können wir vergleichen, wie viel Varianz NPS und NEV als einzelne CFMs erklären können. Mit Modell 3 können wir beurteilen, ob eine Kombination aus beiden CFMs mehr Varianz erklärt und ob es einen Interaktionseffekt zwischen NPS und NEV gibt. Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse.

Für die Wiederkaufsabsicht als Zielgrösse erklärt Modell 3 die meiste Varianz (angepasstes R2 =0,427). Der Interaktionseffekt zwischen NPS und NEV ist nicht signifikant. Für die Cross-Buying-Absicht als Zielgrösse erklärt Modell 3 erneut die meiste Varianz (angepasstes R2 =0,359). Der Interaktionseffekt zwischen NPS und NEV ist signifikant, wie Abbildung 2 zeigt. Promoters mit einem positiven NEV haben eine höhere Cross-Buying-Absicht als Promoters mit einem neutralen NEV, und Detractors mit einem negativen NEV haben eine geringere Cross-Buying-Absicht als Detractors mit einem neutralen NEV.
Für den durchschnittlichen Monatsumsatz als abhängige Variable ist Modell 1 marginal signifikant. Modell 2 und Modell 3 sind nicht signifikant.

Abbildung 2: Auswirkung der NPS- und NEV-Kategorie auf die Cross-Buying-Absicht

Diskussion

Unsere Ergebnisse zeigen, dass Emotionen die Wiederkaufsabsicht und die Cross-Buying-Absicht erklären – zusätzlich zum NPS. Daher empfehlen wir, NPS in Kombination mit Emotionen – zum Beispiel mit dem NEV – zu verwenden, um zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen. Wir stellen zum Beispiel fest, dass Promoters mit einem positiven NEV eine höhere Cross-Buying-Absicht haben als Promoters mit einem neutralen NEV und dass Detractors mit einem negativen NEV eine niedrigere Cross-Buying-Absicht haben als Detractors mit einem neutralen NEV.

Ein emotionales Profil für Detractors, Passives und Promoters liefert weitere Details. Abbildung 3 zeigt, dass sich Promoters hauptsächlich sicher (87 %), vertrauensvoll (83 %) und geschätzt (79 %) fühlen, während sich Detractors hauptsächlich enttäuscht (44 %), frustriert (40 %) und vernachlässigt (37 %) fühlen.

Um die Emotionen mit der höchsten Relevanz zu ermitteln, liefert eine Treiberanalyse weitere Ergebnisse. Abbildung 4 veranschaulicht dies für Detractors. Die horizontale Achse zeigt den Anteil der Befragten, die eine Emotion empfinden, die vertikale Achse zeigt die Relevanz dieser Emotion für die Cross-Buying-Absicht. Bei den Detractors hat z. B. “gestresst” die höchste Relevanz.

Abbildung 3: Emotionales Profil für Detractors, Passives, und Promoters
Abbildung 4: Treiberanalyse für Cross-Buying-Absichten für Detractors

Somit können Abbildung 3 und Abbildung 4 Teil eines Dashboards sein, das verschiedene CFMs kombiniert. Es ermöglicht eine detailliertere Analyse der verschiedenen NPS-Kategorien. Zusätzlich könnten weitere Split-Variablen (z. B. Vertriebskanäle oder Vertriebsregionen) hinzugefügt werden. Diese Erkenntnisse sind in der Werbung, aber auch bei persönlichen Interaktionen von Bedeutung. Die Mitarbeitenden in Pre-Sales, Sales und After-Sales sollten entsprechend geschult werden. Ausserdem könnte ein Monitoring der Emotionen auf der Grundlage verschiedener Datenquellen (z. B. Texte und Befragungen) eingerichtet werden.

Die Tatsache, dass der durchschnittliche Monatsumsatz kaum durch NPS oder NEV erklärt werden kann, lässt sich durch die Branche begründen. In der Mobilfunkbranche haben die Kund:innen Verträge mit Laufzeiten von 12 oder 24 Monaten, der durchschnittliche Monatsumsatz ist eher konstant. Anstatt die Ausgaben zu verändern, werden Kund:innen die Detractors sind oder einen negativen NEV haben, ihre Verträge eher nicht verlängern.

Limitationen

Wir sind uns bewusst, dass unsere Studie Limitationen hat:

  1. Sie konzentriert sich auf eine Branche und auf ein Land. In anderen Branchen und anderen Ländern können Emotionen anders sein. Weitere Untersuchungen könnten daher die dem NEV zugrunde liegenden Emotionen anpassen beziehungsweise alternative Messinstrumente für Emotionen testen.
  2. Wir haben die Zielgrössen durch subjektive Einschätzungen gemessen. Weitere Studien könnten objektive Masse verwenden, z. B. tatsächliches Wiederkaufverhalten, tatsächliches Cross-Buying-Verhalten und tatsächliche durchschnittliche Monatsumsätze, was jedoch den Zugang zu Transaktionsdaten erfordert.
  3. Wir haben unsere Analyse auf der Ebene der Kund:innen durchgeführt. Weitere Untersuchungen könnten die Kombination von NPS und NEV auf Unternehmensebene untersuchen. Eine zeitliche Verzögerung bei den Zielgrössen könnte dann ebenfalls berücksichtigt werden.

Was die weitere Forschung betrifft, so sehen wir in verschiedenen Bereichen Potenzial:

  1. Kund:innen schreiben Texte in E-Mails, in Social-Media-Posts oder in Foren. Dieser Text kann analysiert werden, um Emotionen zu erkennen. Weitere Forschungsarbeiten könnten die Ergebnisse auf Basis von Befragungen mit den Ergebnissen auf Basis von Texten vergleichen.
  2. Ausserdem könnte, wie oben erwähnt, ein Monitoring von Emotionen eingerichtet werden. Emotionen könnten dann mit verschiedenen Touchpoints entlang der Customer Journey (Pre-Sales, Sales und After-Sales) verknüpft werden.
  3. Die Unterschiede zwischen B2C und B2B sind ein weiterer Ansatzpunkt für zukünftige Forschung.
  4. Schliesslich könnte die Rolle von Emotionen bei transaktionalen Befragungen näher untersucht werden. Hier könnten die Emotionen in Kombination mit dem CES gemessen werden. Auch könnten Emotionen gegenüber Mitarbeitenden von Emotionen gegenüber Unternehmen unterschieden werden.

Zusammenfassung

Net Promoter Score (NPS) ist eine der beliebtesten Customer Feedback Metrics (CFMs) – mit Vor- und Nachteilen. Bisherige Untersuchungen zeigen den Nachteil, dass er Zielgrössen wie Umsatzwachstum oder Kundenabwanderung nicht besser erklären kann als andere CFMs. Bisherige Untersuchungen haben jedoch meist keine Kombinationen von CFMs berücksichtigt. Wir argumentieren daher, dass NPS durch andere CFMs, z. B. Emotionen, ergänzt werden sollte. In einer empirischen Untersuchung in der Mobilfunkbranche nutzen wir den von Shaw (2007) vorgeschlagenen Net Emotional Value (NEV) zur Messung von Emotionen. Wir zeigen, dass eine Kombination aus NPS und NEV bei zwei von drei Zielgrössen zu einer besseren Erklärung führt. Wir veranschaulichen, wie Emotionsprofile und Treiberanalysen verwendet werden können, um konkrete Handlungsempfehlungen zu geben.

Dieser Beitrag ist eine Zusammenfassung des Artikels «Should Net Promoter Score be supplemented with other customer feedback metrics? An empirical investigation of Net Promoter Score and emotions in the mobile phone industry». Er ist verfügbar unter: https://doi.org/10.1177/14707853231219648

Literaturangaben

Bain & Company (2020) Customer Experience Tools and Trends: Let No Tool Stand Alone. Available at: www.bain.com/insights/customer-experience-tools-and-trends-2020-let-no-tool-stand-alone (Zugriff am 28.02.2023).

De Haan E, Verhoef PC and Wiesel T (2015) The predictive ability of different customer feedback metrics for retention. International Journal of Research in Marketing 32(2): 195 – 206.

Dixon M, Freeman K and Toman N (2010) Stop trying to delight your customers. Harvard Business Review 88(7/8): 116 – 122.

Keiningham TL, Cooil B, Aksoy L, Andreassen, TW and Weiner J (2007) The value of different customer satisfaction and loyalty metrics in predicting customer retention, recommendation, and share‐of‐wallet. Managing Service Quality 17(4): 361 – 384.

Morgan NA and Rego LL (2006) The value of different customer satisfaction and loyalty metrics in predicting business performance. Marketing Science 25(5): 426 – 439.

Reichheld FF (2003) The one number you need to grow. Harvard Business Review 81(12): 46 – 55.
Shaw C (2007) The DNA of Customer Experience: How Emotions Drive Value. Houndmills: Palgrave Macmillan.

Van Doorn J, Leeflang PS and Tijs M (2013) Satisfaction as a predictor of future performance: A replication. International Journal of Research in Marketing 30(3): 314 – 318.

Steffen Mueller

Prof. Dr. Steffen Müller

Dozent ZHAW School of
Management and Law, Winterthur

steffen.mueller@zhaw.ch, +41 (0) 58 934 79 24

Research Team
Prof. Dr. Steffen Müller, Dr. Roger Seiler, Melanie Völkle
ZHAW School of Management and Law

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Swiss Insights News #24-3

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Einführung von Dynamic Pricing: Messung der Effekte in der Hotelbranche

Hintergrund und Zielsetzungen

Dynamic Pricing findet in vielen Branchen mehr und mehr Verbreitung. Dabei werden die Preise in Abhängigkeit verschiedener Nachfrageparameter fortlaufend angepasst. Insbesondere in der Tourismusbranche ist Dynamic Pricing mittlerweile üblich – z.B. bei Fluggesellschaften oder bei Hotels. Jedoch gibt es immer noch zahlreiche Hotels, auch in der Schweiz, die nicht auf Dynamic Pricing setzen. Gründe hierfür sind unter anderem Unsicherheiten bezüglich geeigneter Softwarelösungen, aber auch bezüglich der Kundenreaktionen.

An diesen Unsicherheiten setzte ein gemeinsames Forschungsprojekt der ZHAW School of Management and Law und der RoomPriceGenie AG an. Die RoomPriceGenie AG bietet eine Softwarelösung für Dynamic Pricing an.

Abbildung 1: Teilnehmende Hotels

Gemeinsam wurden 37 Hotels gewonnen, an diesem Forschungsprojekt teilzunehmen und im Projektzeitraum 2021 und 2022 Dynamic Pricing einzuführen. Abbildung 1 zeigt die geografische Verteilung der teilnehmenden Hotels, wobei die Farben die Kantone kennzeichnen und die Grösse der Kreise die Anzahl der teilnehmenden Hotels je Standort symbolisiert. Es nahmen sowohl Hotels in Städten als auch Hotels in Bergregionen am Projekt teil.

Die Effekte der Einführung von dynamischem Pricing wurden aus drei Perspektiven gemessen:
• Perspektive 1: Veränderung der internen Kompetenzen;
• Perspektive 2: Veränderung der Gästezufriedenheit;
• Perspektive 3: Veränderung der finanziellen Performance.

Perspektive 1: Veränderung der internen Kompetenzen

Die teilnehmenden Hotels wurden zu Beginn des Projekts gebeten, einen Fragebogen auszufüllen, in dem ihre internen Kompetenzen in Bezug auf Pricing sowie ihr wahrgenommener Erfolg im Vergleich zum Wettbewerb anhand etablierter Skalen abgefragt wurden. Nach der Einführung der Softwarelösung und mindestens sechs Monaten Erfahrung mit Dynamic Pricing wurden sie nochmals aufgefordert, ihre Beurteilung abzugeben. Anhand dieser Vorher-Nachher-Messung bei insgesamt 33 Hotels – vertreten durch jeweils eine Person aus dem Management – zeigte sich, dass sich die internen Kompetenzen in Bezug auf Pricing signifikant von 3.6 auf 4.2 (Skala 1-6) verbessert hatten. Ebenfalls erhöhte sich der wahrgenommene Erfolg im Vergleich zum Wettbewerb von 3.4 auf 4.0 (Skala 1-6). Betrachtet man die einzelnen Items, zeigt sich in Tabelle 1 insbesondere eine Verbesserung bei den folgenden Aspekten:
• «Wir verwenden unsere Pricing-Fähigkeiten und -Systeme, um schnell auf Änderungen im Markt zu reagieren.»
• «Wir betreiben ein effektives Pricing.»
• «Wir verwenden Systeme und Tools, um Pricing-Entscheidungen zu unterstützen.»
• «Wir haben einen höheren Umsatz pro verfügbares Zimmer als unsere Wettbewerber.»
• «Wir steigern unseren Umsatz mehr als unsere Wettbewerber.»
• «Wir haben mehr Pricing-Power als unsere Wettbewerber.»

Tabelle 1:
Vorher-Nachher-Messung in Bezug auf die internen Kompetenzen

Doch wie sind die Effekte bei den Gästen? Dies steht nachfolgend im Vordergrund.

Perspektive 2: Veränderung der Gästezufriedenheit

Auch in Bezug auf die Veränderung der Gästezufriedenheit wurde eine Vorher-Nachher-Messung durchgeführt. Die Hotels wurden gebeten, eine einheitliche Gästebefragung zu versenden und mindestens 30 Antworten zu generieren – und zwar vor und nach der Einführung von Dynamic Pricing. Insgesamt 16 Hotels lieferten eine ausreichende Datengrundlage mit insgesamt jeweils mehr als 1’000 Gästeantworten vor und nach der Einführung der Softwarelösung.

Dabei zeigten sich folgende Ergebnisse, wobei eine Gewichtung stattfand, um alle 16 Hotels gleichermassen zu berücksichtigen:
• Die Gesamtzufriedenheit veränderte sich nicht signifikant von 5.21 auf 5.27 (Skala 1-6).
• Die wahrgenommene Preisfairness veränderte sich nicht signifikant von 5.00 auf 4.93 (Skala 1-6).
• Die Weiterempfehlungsabsicht veränderte sich nicht signifikant von 8.82 auf 8.73 (Skala 1-10).

Somit hat die Einführung von Dynamic Pricing keinen Effekt auf die Gästezufriedenheit. Dies liegt unter anderem daran, dass bereits vor der Einführung von Dynamic Pricing 74.5% der befragten Personen glaubten, dass die Preise dynamisch gebildet werden. Nach der Einführung von Dynamic Pricing lag dieser Anteil bei 78.1%. Auch der Net Promoter Score (NPS) blieb nahezu konstant (60.6% vs. 58.4%).
Somit zeigen sich im Hinblick auf die Veränderung der internen Kompetenzen (Perspektive 1) und im Hinblick auf die Veränderung der Gästezufriedenheit (Perspektive 2) Ergebnisse, die für die Einführung von Dynamic Pricing sprechen. Doch können die Hotels auch von einer positiven Veränderung der finanziellen Performance profitieren?

Perspektive 3: Veränderung der finanziellen Performance

Um dies zu untersuchen, wurden die folgenden branchenüblichen Kennzahlen herangezogen:
• Zimmerbelegung bzw. Occupancy (in %)
• Durchschnittsrate bzw. Average Daily Rate (in CHF)
• Umsatz pro verfügbares Zimmer bzw. Revenue Per Available Room (in CHF)

Insgesamt 21 Hotels lieferten diese Kennzahlen für einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten vor der Einführung von Dynamic Pricing und von mindestens 8 Monaten nach der Einführung von Dynamic Pricing. Die ersten beiden Monate nach der Einführung der Softwarelösung wurden in der Analyse nicht berücksichtigt, da die Buchungen für Aufenthalte in diesem Zeitraum meist noch vorher getätigt wurden.
Eine aggregierte Analyse zeigt folgende Ergebnisse:
• Die Zimmerbelegung stieg von 47% auf 59%.
• Die Durchschnittsrate stieg von 166 CHF auf 173 CHF.
• Der Umsatz pro verfügbares Zimmer stieg von 89 CHF auf 107 CHF.

Abbildung 2: Vorher-Nachher-Messung in Bezug auf die
finanzielle Performance

Abbildung 2 verdeutlicht diese Ergebnisse. Im Hinblick auf diesen Vorher-Nachher-Vergleich ist jedoch anzumerken, dass es sich um ein einfaches Design ohne Kontrollgruppe handelt, welches weitere externe Effekte nicht vollständig ausschliessen kann.

Limitationen und Implikationen

Diese Limitation sollte in zukünftigen Untersuchungen berücksichtigt werden. Eine Möglichkeit wäre, weitere Hotels für ein Forschungsprojekt zu akquirieren, die jedoch zunächst auf die Einführung von Dynamic Pricing verzichten und als Kontrollgruppe dienen. Alternativ könnten Benchmarks von vergleichbaren Hotels herangezogen werden, die in diesem Forschungsprojekt nicht verfügbar waren.
Trotz dieser Einschränkung ermutigen die Ergebnisse dazu, Dynamic Pricing einzuführen. Hotels können sowohl ihre internen Kompetenzen als auch ihre finanzielle Performance verbessern, ohne dass sich die Gästezufriedenheit verändert. Dies liegt vor allem daran, dass die Gäste bereits erwarten, dass die Preise dynamisch gebildet werden.

In anderen Branchen, in denen Dynamic Pricing weniger verbreitet ist, können die Effekte anders ausfallen, da dann z.B. die wahrgenommene Preisfairness sinken kann, was sich wiederum auf weitere Einstellungs- und Verhaltensgrössen auswirken kann. Dann kann der vorgestellte Ansatz ein hilfreiches Instrument sein, um einen Piloten durchzuführen und die Effekte auf Basis der drei vorgestellten Perspektiven zu messen.

Steffen Mueller

Kontakt
Prof. Dr. Steffen Müller

Dozent, Fachstelle Behavioral Insights & Pricing ZHAW School of Management & Law

steffen.mueller@zhaw.ch
+41 58 934 79 24

Die Autoren

Prof. Dr. Steffen Müller
Dozent, Fachstelle Behavioral Insights & Pricing ZHAW School of Management & Law
Dr. Nina Heim
Dozentin, Fachstelle Behavioral Insights & Pricing ZHAW School of Management & Law
Vera Lenggenhager
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachstelle Behavioral Insights & Pricing ZHAW School of Mgm & Law
Dr. Ari Andricopoulos
CEO, RoomPriceGenie AG

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Swiss Insights News #6

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