Personas im Zeitalter von KI

Ein Rückblick

Personas entstanden im späten 19. Jahrhundert als soziologisches Instrument zur Darstellung der Merkmale bestimmter Bevölkerungsgruppen. Max Weber (1864-1920), Pionier und Gründer dieses Konzepts, betonte, dass der Zweck von Personas darin besteht die strategischen Aspekte (manchmal übertrieben) zu verkörpern und zum Leben zu erwecken, die berücksichtigt werden müssen, um wirksame Entscheidungen zu treffen. Mit der Zeit wurden Personas in der Marktforschung eingesetzt, um die Motivationen und Erwartungen der Menschen besser zu verstehen. In den 1980er Jahren wurden Personas in der UX-Forschung genutzt, um die Diskrepanz zwischen Designvorhaben und Benutzer:innen-Anforderungen zu überbrücken. In der Folge setzten Marketing- und Strategieabteilungen Personas ein, um Käufergruppen zu definieren und bestimmte Profile anzusprechen.

Die Funktionen von Personas

Die Funktionen von Personas:

Eine Persona repräsentiert eine Kundengruppe durch ein psychologisches und verhaltensbezogenes Profil. Sie fördert das Verständnis dieser Gruppe und gestaltet die Ergebnisse für die Nutzerin oder den Nutzer möglichst handlungsorientiert. Personas haben sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt und erfüllen mehrere wichtige Funktionen:

Kreativität anregen: Personas erfassen Emotionen und Standpunkte und regen so innovatives Denken und kreative Lösungen an.

Daten zum Leben erwecken: Personas vermenschlichen abstrakte Daten und schaffen eine Diskussionsplattform, die als Ausgangspunkt für Co-Creation und iterative Entwicklung dient.

Internes Abstimmen von Teams: Personas sorgen für ein einheitliches Verständnis der Zielgruppen im gesamten Unternehmen und vereinfachen die Kommunikation.

Begrenzen von Risiken: Personas bieten einen sicheren Rahmen, um Ideen zu testen und zu verfeinern, Entscheidungen zu dokumentieren und die Übereinstimmung mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden sicherzustellen.

Der Aufstieg von KI und Persona-Bots

Mit dem technologischen Fortschritt sind Personas ausgefeilter geworden und beinhalten nun auch KI-gesteuerte Tools. Diese Entwicklung hat zur Erstellung von Persona-Bots geführt. Dies sind interaktive Einheiten, mit denen z. B. Marketing-Teams und Marktforschende kommunizieren und Erkenntnisse gewinnen können. Die Herausforderung besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen der Einfachheit von Personas und der Tiefe der Erkenntnisse zu finden, die sie liefern. Es gibt immer mehr Methoden und Möglichkeiten für eine bessere Entscheidungsfindung, Zusammenarbeit und Innovation.

Ipsos hat mit der revolutionären Ipsos PersonaBot-Lösung, die auf der Ipsos-eigenen generativen KI-Plattform basiert und sich auf eine umfassende wissenschaftliche Validierung stützt, eine Vorreiterrolle in diesem Gebiet übernommen. Dieses neue Tool, das wir inzwischen bei einer beträchtlichen Anzahl internationaler und Schweizer Kundinnen und Kunden im Einsatz haben, ermöglicht den Mitarbeitenden einer Organisation die Interaktion mit Personas, die ihre Zielgruppen repräsentieren. Teams können dynamisch mit Zielgruppen kommunizieren, Ideen schnell testen und mit Einfühlungsvermögen auf sich verändernde Bedürfnisse reagieren – und all dies auf der Grundlage methodisch fundierter Forschung.

Über ein sicheres Portal können Benutzer:innen Fragen zu allen möglichen Themen stellen: Einstellungen und Verhaltensweisen, Anforderungen an die Kommunikation, Präferenzen für die Art der Nachrichten und Kanäle usw. Die Personas können individuell oder als Gruppe befragt werden, fast wie eine Fokusgruppe. Die Plattform kann auch direkt mit Frameworks zur Aktivierung verknüpft werden, z. B. mit Vorlagen für Briefings von Agenturen.

Wenn Personas auf einer soliden Grundlage qualitativer und quantitativer Forschung durch erfahrene Expertinnen und Experten aufgebaut sind, dienen Persona-Bots als unschätzbare Tools für die Ideenfindung, die Hypothesenbildung und die Berücksichtigung des Menschen in jeder Diskussion im Unternehmen. Sie sind jedoch kein Ersatz für fundierte Marktforschung und menschliches Urteilsvermögen, wenn es darum geht, Erkenntnisse zu validieren und strategische Entscheidungen zu treffen. Persona-Bots sind nur so gut wie das Fachwissen und die Daten, die in ihre Erstellung einfliessen.

Erstellung eines Persona-Bots

Die Erstellung eines effektiven Persona-Bots erfordert mehr als nur die Eingabe von Rohdaten in ein KI-System. Es erfordert eine sorgfältige Aufbereitung und Organisation der Informationen, einschliesslich:

  • Wer: Grundlegende demografische und psychografische Informationen über die Persona.
  • Warum: Das Verständnis der Motivationen, Bedürfnisse und Einstellungen der Persona.
  • Was: Einblicke in die Marken und Produkte, welche die Persona nutzen könnten.
  • Wo: Verstehen des Kontexts und der Anlässe für die Produktnutzung.
  • Der Lebensstil: Ein umfassenderes Bild des allgemeinen Lebensstils, der Interessen und der Mediengewohnheiten der Persona.

Neben den Fakten profitieren Persona-Bots auch davon, dass sie mit Beispielen von Sprachgebrauch und Persönlichkeitsmerkmalen angereichert werden, um die Denkweise der Persona besser zu verstehen. Auch Bilder können das Persona-Profil aufwerten, wobei jedoch darauf geachtet werden muss, dass die KI-Algorithmen nicht durch bestehende Vorurteile verzerrt werden.

Verzerrungen («Biases») und Einschränkungen

Personas helfen Designern und Marketingfachleuten zwar dabei, ihre Zielgruppen zu verstehen und Zielgruppenprofile zu erstellen, doch haben sie auch ihre Grenzen, die berücksichtigt werden müssen:

  • Realismus: Personas müssen auf einer gründlichen Beobachtung und Analyse beruhen. Mit KI ist es nur allzu leicht, Personas zu erstellen, die zwar realistisch erscheinen, aber nicht die tatsächlichen Kundengruppen repräsentieren. Die Glaubwürdigkeit einer Persona hängt stark von der Segmentierungsanalyse und der Expertise der Marktforscher:innen ab.
  • Repräsentativität: Personas sind Archetypen, keine monolithischen Konstrukte. Ihre Gültigkeit ist kontextspezifisch, d. h. sie besteht in Bezug auf einen Markt, ein Land, ein Objekt und einen Zweck.
  • Qualität der Priming-Daten (Input Daten): Die Qualität und Tiefe der erhobenen Daten sind entscheidend für KI-generierte Personas. Ungenaue oder verzerrte Daten können zu irreführenden Erkenntnissen führen.
  • Einschränkung der Perspektive: Persona-Bots können nur Fragen innerhalb des Bereichs der erhobenen bzw. analysierten Daten beantworten, nicht darüber hinaus.
  • Nicht-kausale Zusammenhänge: KI erkennt manchmal falsche Korrelationen und verwechselt diese mit kausalen Zusammenhängen. Menschliches Fachwissen ist für die Beratung unerlässlich.

Wichtige Erkenntnisse und zukünftige Entwicklungen

Bei verantwortungsvoller Anwendung haben Persona-Bots ein immenses Potenzial, KI zu vermenschlichen und die Stimme des Kunden/der Kundin (Voice of the Customer) auf eine nie dagewesene Weise in die Organisation einzubringen. KI-gestützte Persona-Bots stellen einen bedeutenden Fortschritt in der Marktforschung dar und bieten eine dynamische und interaktive Möglichkeit, Zielgruppen zu verstehen. Sie ersetzen nicht das menschliche Urteilsvermögen, sondern dienen als leistungsfähige Tools zur Inspiration und Ideenfindung. Im Zuge der weiteren Entwicklung und des Fortschritts werden Persona-Bots zu einem integralen Bestandteil, indem sie die Innovation beschleunigen und die Wirkung von Erkenntnissen in allen Branchen erhöhen. Es ist von entscheidender Bedeutung, Grundsätze festzulegen und eine verantwortungsvolle Anwendung dieser Tools zu gewährleisten, um ihr Potenzial voll auszuschöpfen und gleichzeitig mögliche Verzerrungen und Einschränkungen zu minimieren. Die Zukunft der Marktforschung wird zweifellos von diesen Fortschritten geprägt sein, und Persona-Bots stehen an der Spitze dieses Wandels.

Dieser Artikel basiert auf einem demnächst erscheinenden, neuen globalen Ipsos White Paper und wurde in einer Kombination aus Human Intelligence (Francesca & Guido) sowie Artificial Intelligence (Ipsos Facto) erstellt.

Francesca Leoni

Associate Client Director – Market Strategy & Understanding / Innovation
Ipsos Root/Luzern

francesca.leoni@ipsos.com

Guido Strothe

Associate Client Director – Customer Experience & Channel Performance
Ipsos Root/Luzern

guido.strothe@ipsos.com

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Swiss Insights News #25-2

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Teil der Lösung sein

Da Nachhaltigkeit in unserem Leben und in den Medien eine immer grössere Rolle spielt, beeinflusst sie unweigerlich auch die Werbebranche. Die Anerkennung des Klimawandels und sozialer Themen wie Gender Equality und Diversity wächst und die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten erwarten, dass Marken verantwortungsvolle Massnahmen ergreifen. Doch wie können Werbung und
Nachhaltigkeit ineinandergreifen, um eine nachhaltigere Zukunft und verantwortungsbewusstes Markenwachstum zu fördern?

Botschaften kombinieren

Im Zuge einer grossen, globalen Metaanalyse der Werbe-Pretest-Daten von Ipsos wurden Werbungen mit Botschaften zur Nachhaltigkeit identifiziert und deren Effektivität bewertet. Ipsos setzt für Werbepretests Creative|Spark ein. Eine Lösung, die in der Schweiz und international sowohl als Full-DIY aber auch begleitet durch Ipsos Schweiz Consultants über die Ipsos.Digital Plattform genutzt wird.

Die Auswertung zeigt, dass erfolgreiche Werbemassnahmen ein Gleichgewicht zwischen Nachhaltigkeit und den Markenbotschaften bieten. Werbungen, die sich ausschliesslich auf Nachhaltigkeit konzentrieren, übermitteln oft keine einzigartige oder unterhaltsame Botschaft. Bessere Ergebnisse erzielen Werbemassnahmen, die Marken- und Nachhaltigkeitsbotschaften kombinieren; das zeigt, wie
wichtig es ist, die Botschaften zur und über die Marke nicht zu vernachlässigen.

Grafik 1

Eines von vielen positiven (internationalen) Beispielen ist diesbezüglich die Volvo-Kampagne «The Ultimate Safety Test».

Ein weiterer Trend bei Werbungen mit Bezug zur Nachhaltigkeit betrifft die Gestaltung der Botschaft. Werbungen, die sich auf die Menschen und ihre Probleme konzentrieren und eine nachhaltige Lösung anbieten, sind effektiver als solche, die nur über die Marke sprechen. Am wirksamsten sind Werbungen, die eine Lösung anbieten und die Konsumentinnen und Konsumenten in
ein nachhaltiges Verhalten hineinziehen, indem sie ihnen diesen Schritt leicht machen.

Eine geringere Anzahl an Werbungen entscheidet sich dafür, direkt mit dem «Problem» zu beginnen,
quasi als Einführung in das Nachhaltigkeitsthema, das sie behandeln werden. Solche
Ansätze reichen von der Darstellung der Auswirkungen des Klimawandels bis hin zu lokalen
Unternehmen in Schwierigkeiten oder von diskriminierten Minderheiten. Während der Aufbau von Problem und Lösung in der Werbung recht traditionell ist, sind die Probleme hier sehr ernst
und können teilweise von der Zielgruppe auch als generisch wahrgenommen werden.

Empathie als Schlüssel

Funktioniert diese Art des Aufbaus gut, wenn es um Nachhaltigkeit und ernste Themen geht? Die
Antwort ist: ja! Insgesamt übertreffen Werbungen, die mit dem Problem beginnen, andere Werbungen
in Bezug auf ihre Wirksamkeit (+11 Prozent).

Grafik 2

Will man Teil der Lösung sein, ist das Anerkennen des Problems ein guter Anfang, Ein gutes
Beispiel ist die «Forklift»-Kampagne von Sodastream. Der Spot geht sowohl auf Nachhaltigkeit
als auch auf die Markenbotschaft ein: Im ersten Teil wird der übermässige Verbrauch
von Plastikflaschen aufgezeigt. Im zweiten Teil wird den Zuschauerinnen und Zuschauern eine
Lösung angeboten, wie sie zu kohlensäurehaltigem Wasser kommen – verknüpft mit den markanten
Markenzeichen wie dem Geräusch der Sodastream-Flasche beim Befüllen mit Gas.

Wichtig ist hier die Empathie. Man sollte das Problem anerkennen, aber auf einer menschlichen,
alltäglichen Ebene. Werbung, die den Menschen in den Mittelpunkt und das Thema
Nachhaltigkeit in einen alltäglichen Kontext stellt, ist wirksamer als Werbung, die auf die
beängstigenden Elemente des Klimawandels verweist. Versucht man, eine nachhaltige Botschaft
zu vermitteln, ist es wichtig, sie visuell darzustellen. Dies kann mit Bildern oder Statistiken
geschehen; die Werbung muss jedoch deutlich machen, worum es geht und wie die
Marke zur Nachhaltigkeit beiträgt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Glaubwürdigkeit. Um Anschuldigungen wegen Greenwashings
und daraus resultierende Kritik zu vermeiden, müssen Marken sicherstellen, dass ihre
Botschaften glaubwürdig und authentisch sind und ihre Versprechen zur Nachhaltigkeit eingehalten
werden. Übertriebene Markenversprechen werden als wenig glaubhaft wahrgenommen und
haben einen negativen Effekt. Kleine Schritte und Erfolge eines nachhaltigeren Produktes oder einer
Dienstleistung, die mit der Nutzung der Marke durch den Konsumenten verknüpft sind, erzielen
in der Regel bessere Ergebnisse.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Werbung und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen
können und sollten. Die Menschen wünschen sich, dass Marken sich für eine bessere Welt
einsetzen und dies auch kommunizieren. Aber das blosse Hinzufügen einer Nachhaltigkeitsbehauptung
zu einer Werbung ist nicht ausreichend. Werbungen müssen sich von anderen abheben, ein neues, ansprechendes und relevantes Erlebnis bieten und effektiv nachweisen, dass die Marke Teil der Lösung ist. Letztendlich stehen wir am Anfang eines schwierigen Übergangs zu einer nachhaltigeren Zukunft, in
der noch viel zu tun ist. Dieser Übergang wird nicht ohne das Handeln der Marken und ohne
überzeugende Werbemassnahmen zur Unterstützung dieser Veränderung stattfinden.

Der Artikel zu diesem Thema ist am 27.10.2023 in der Handelszeitung erschienen («Teil der Lösung sein») und wurde für SWISS INSIGHTS erweitert und mit Grafiken ergänzt. Erfahren Sie mehr zu diesem Thema durch unsere beiden White Paper «Sustainability and Advertising: Friends or foes?» und «Sustainability Advertising: How empathy and credibility can help you get it right» sowie durch das Ipsos in Switzerland
Webinar «Making magnificent sustainable advertising».

Martin Fenböck

Senior Client Director & Regional Division Leader Ipsos,
Leiter einer der drei Ipsos Niederlassungen in der Schweiz
– in Root D4 / Luzern

Martin.Fenboeck@ipsos.com, +41 79 404 92 31

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Swiss Insights News #24-4

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