In der Vergangenheit wurden Daten zum Reise- und Bewegungsverhalten der Bevölkerung häufig über Befragungen oder Tagebuchstudien erhoben. Aber das Vorgehen ist wenig effizient, für die Studienteilnehmenden oft aufwändig und die Genauigkeit der Angaben ist nicht immer hoch. So werden von den Studienteilnehmenden allenfalls zurückgelegte Wege oder Etappen nicht korrekt erinnert, verwechselt oder bewusst nicht angegeben.
intervista bietet eine technologisch fundierte Methodik, die nicht nur angenehmer für Studienteilnehmende, sondern auch effizienter und smarter ist: die kontinuierliche automatische Messung von Reise- und Bewegungsdaten durch Smartphone-basiertes Geolocation-Tracking. Diese passive Verhaltensmessung generiert dank des technischen Setups fortlaufend umfangreiche Datensets und bietet eine hohe Präzision. Gleichzeitig ermöglicht sie den Studienteilnehmenden die bessere Experience.
Wie das konkret funktioniert, möchten wir kurz erklären.
Footprints Research: Methodik und Technologie
Im Kern des smarten Verfahrens steht die von intervista entwickelte Smartphone App «Footprints Research». Die App registriert kontinuierlich die Aufenthaltsorte, die Daten der Bewegungs- und Rotationssensoren des Gerätes sowie Kontakte mit Beacons.
Mit den Tracking-Daten wird mit Modellen konkretes Verhalten ermittelt wie zurückgelegte Etappen und Wege, die Verkehrsmittelnutzung, der Mobilitätszweck und Besuche von Points-of-Interest (z.B. Supermärkte, Museen, Sportstadien, Restaurants etc.).
Im Herbst 2018 lancierte intervista das Footprints-Panel und sammelt seither kontinuierlich und vollautomatisch Mobilitätsdaten der teilnehmenden Panelistinnen und Panelisten. Aktuell erfasst das Footprints-Panel 3’000 Personen, diese wurden nach soziodemografischen Merkmalen entlang repräsentativer Vorgaben für die Schweizer Bevölkerung im Alter von 15 bis 79 Jahren aus dem intervista Online-Panel unter Einhaltung der geltenden Datenschutzgesetze (DSG und DSGVO) rekrutiert.
Im Unterschied zu herkömmlichen Tagebuchstudien, die in der Regel nur einen kurzen Zeitraum umfassen, erfasst die App das Verhalten an 365 Tagen im Jahr, wodurch insgesamt ein Datenschatz von mehr als 1 Million Messtagen pro Jahr erhoben wird, der intervista für Analysen zur Verfügung steht.
Zu den Footprints-Panelistinnen und -Panelisten liegen umfassende Profilmerkmale vor (z.B. Alter, Geschlecht, Einkommen, Interessen), welche mit den Messdaten kombiniert werden können, um tiefergehende Analysen durchzuführen.
Über die App können Personen zudem zu Befragungen eingeladen werden. So können z.B. Personen eingeladen werden, wenn sie bestimmte Orte besucht haben oder ein bestimmtes Verhalten zeigen. Dies ermöglicht gehaltvollere Forschungsdesigns, welche beispielsweise auch Motive und Wahrnehmung beinhalten.
Zudem bietet die App eine ideale Experience für die Teilnehmenden, da sie nur eine einmalige, einfache Installation erfordert und einen geringen Akkuverbrauch aufweist.
Anders gesagt: Die Footprints-Panelistinnen und -Panelisten nehmen an einer Mobilitätsstudie teil, indem sie einfach zur Arbeit pendeln, einen Städtetrip unternehmen oder einkaufen – ohne im Hinterkopf behalten zu müssen, sich den Ablauf möglichst gut einzuprägen und selbständig zu dokumentieren. Damit revolutioniert intervista die Mobilitätsforschung und bringt sie auf das nächste Level, um den zunehmend komplexen Fragestellungen zur Mobilität auf Augenhöhe zu begegnen.
Die App von intervista ist zudem als White-Label-Lösung verfügbar. So hat intervista beispielsweise im Jahr 2022 für das Bundesamt für Statistik BFS die massgeschneiderte MVMZ-App (Mikrozensus Mobilität und Verkehr) konzipiert und programmiert.
Den Mehrwert der App-basierten passiven Messung möchten wir Ihnen am Beispiel einer intervista-Studie veranschaulichen, die 2021 mit dem renommierten «GOR Best Practice Award» für den erfolgreichen Einsatz modernster digitaler Forschungsmethoden ausgezeichnet worden ist.
Mobilitäts-Monitoring während der COVID-19-Pandemie
Im Auftrag des statistischen Amtes des Kantons Zürich, der Swiss National COVID-19 Science Task Force, des Bundesamtes für Statistik BFS und der Konjunkturstelle der ETH Zürich führten wir im Rahmen der COVID-19-Pandemie während 18 Monaten (Januar 2020 – Juli 2021) ein umfassendes Mobilitäts-Tracking der Schweizer Bevölkerung durch.
Dank der umfangreichen Datenerhebung durch das Footprints-Panel konnten wir verschiedene Entwicklungen anhand ausgewählter Kriterien detailliert aufzeigen. So konnte u.a. gesehen werden, ob und inwiefern sich Bevölkerungssegmente an verbindliche Vorgaben sowie Empfehlungen des Bundesrates hielten.
Während der COVID-19-Pandemie veränderte sich das Mobilitätsverhalten der Schweizer Bevölkerung massiv. Das Tracking ergab, dass die Bevölkerung ihr Mobilitätsverhalten – zu Fuss, mit privaten Fahrzeugen sowie dem öffentlichen Verkehr – nach Erklärung der ausserordentlichen Lage am 16. März 2020 deutlich einschränkte. Insbesondere die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist zu dem Zeitpunkt stark eingebrochen und hat sich in der Folge nur langsam erholt.
Segmentiert nach Altersklassen zeigten sich Parallelen in den Verhaltensanpassungen über alle Altersklassen hinweg. Damit liess sich nachweisen, dass sich auch jüngere Personen an die Anweisungen des Bundesrates hielten und ihr Mobilitätsverhalten anpassten.
Ein weiteres Beispiel ist die Messung, wie sich die Homeoffice-Empfehlung bzw. die spätere Homeoffice-Pflicht auf das Verhalten von Pendlerinnen und Pendlern mit fixem Arbeits- oder Ausbildungsort auswirkte. So hatte z.B. die Homeoffice-Empfehlung im Oktober 2020 nur einen geringen Effekt auf das tatsächliche Pendlerverhalten.
Die Daten aus dem Footprints-Panel lassen auch Analysen der interkantonalen Mobilität zu. Die Abbildung zeigt die Mobilitätsverbindungen zwischen den Kantonen. Je stärker die Linie ist, desto mehr Reisen gibt es zwischen den beiden Kantonen. Besonders starke Verbindungen sind z.B. zwischen den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt sowie zwischen Zürich und Aargau zu sehen. Solche Daten sind auch bedeutend für die Analyse von Infektionsketten über Kantonsgrenzen hinweg.
Einsatzmöglichkeiten des smarten Mobilitäts-Trackings
Die Studie illustriert beispielhaft den Mehrwert dieser Methodik, welche Mobilitätsforschung mit modernster Technologie verbindet. Mit den umfangreichen Daten aus dem Footprints-Panel und der hohen Präzision der Messmethode können aber auch verschiedenste weitere Fragestellungen zuverlässig und detailliert bearbeitet werden.
So können u.a. die Reichweite und Wirkung von Aussenwerbung, das Pendlerverhalten in Zeiten von Online-Vorlesungen und Homeoffice als neuer Selbstverständlichkeit im «New Work», die Besucherstruktur von Destinationen oder Veranstaltungen, Passantenfrequenzen und auch Einkaufsroutinen untersucht werden. Mit der Möglichkeit, über die App zusätzlich Befragungen durchzuführen, können Befragungsdaten mit den Messdaten kombiniert und gemeinsam analysiert werden. Dies ermöglicht weitergehende Insights, welche beispielsweise Verhaltensmotive und die unmittelbare Wahrnehmung an bestimmten Orten umfassen.
Beat Fischer
Mitglied der Geschäftsleitung
intervista AG
beat.fischer@intervista.ch, +41 31 511 39 21
Der Autor
Beat Fischer ist Mitglied der Geschäftsleitung von intervista. Er ist spezialisiert auf digitale Forschungsmethoden und Experte für Mobilitäts- und Werbeforschung. Bei intervista ist er zudem für das Business Development sowie die Entwicklung digitaler Produkte verantwortlich.
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