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Psychometrisches Profiling als Zukunft der Marktforschung

In Zeiten überfluteter Märkte reicht es nicht mehr zu wissen, was Kund:innen tun. Wir müssen verstehen, warum sie es tun. Psychometrisches Profiling bringt genau diese Antwort – und transformiert Daten in echte menschliche Relevanz.

Warum wir mehr über Menschen wissen müssen

Quantitative Marktforschung bietet uns belastbare Antworten auf das Was – psychometrisches Profiling ergänzt dieses Wissen um das Warum. Warum kaufen Menschen? Warum reagieren sie auf bestimmte Botschaften, Produkte oder Kanäle? Und warum entscheiden sie sich manchmal trotz klarer Faktenlage anders als erwartet? Dabei geht es um grundlegende Persönlichkeitsmerkmale, die einen Menschen auf allen Ebenen seines Denkens, Fühlens und Handelns steuern.

Genau hier setzt das psychologische Profiling-Framework von Brandmind an. Es basiert auf dem empirisch entwickelten ASPECTS-Modell, das in Kooperation mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) entstanden und von Innosuisse gefördert worden ist. Ziel ist es, die psychologischen Treiber menschlichen Verhaltens zu entschlüsseln und nutzbar zu machen – für bessere Kommunikation, präzisere Segmentierung und erlebnisorientierte Customer Journeys.

Abb.1: Wissenschaftlicher Beweis: Signifikante Korrelation zwischen Werbepräferenzen & Persönlichkeit

Das ASPECTS-Modell: Tiefer blicken, gezielter handeln

Die Funktionen von Personas:

Das Modell unterscheidet sieben zentrale psychologische Grundmotive:

  • Affiliation (Zugehörigkeit)
  • Stimulation (Neugier, Abwechslung)
  • Power (Macht)
  • Emotion
  • Cognition (Rationalität)
  • Thrive (Leistung)
  • Sicherheit (Safety)

Diese Dimensionen bilden die Basis für eine differenzierte Ansprache, die weit über demografische oder verhaltensbasierte Cluster hinausgeht. Marken können so nicht nur segmentieren, sondern gezielt motivbasierte Resonanz erzeugen.

Die Umsetzung des Modells erfolgt an allen Kunden-Touchpoints – von Bildsprache über Materialwahl bis hin zu Geruch und Tonalität. Die folgende Visualisierung zeigt, wie die ASPECTS-Dimensionen mit Sinneskanälen verbunden werden können.

Abb.2: Das wissenschaftlich entwickelte ASPECTS-Modell mit Sinneskanälen

Vom Datensilo zur Dialogkultur

Psychometrisches Profiling verändert den Umgang mit Daten grundlegend. Es geht nicht länger um das Sammeln möglichst vieler Informationen, sondern um eine ethische, transparente und wirksame Nutzung bestehender Daten – mit dem Ziel, echte Interaktion zu ermöglichen. Das Modell fordert ein neues Denken im Customer Experience Management: Weg von generischen Funnels, hin zu einem orchestrierten, emotional intelligenten Dialog mit den Menschen hinter den Daten. Dazu braucht es die richtige technologische Infrastruktur, eine neue Art der Segmentlogik und vor allem ein klares Verständnis psychologischer Muster. Marken, die diesen Weg gehen, transformieren nicht nur ihre Kommunikation, sondern ihr gesamtes Kundenverständnis.

Psychometrisches Profiling in der Praxis

Psychometrisches Profiling ist heute vielseitig einsetzbar. Vier typische Anwendungsfälle können identifiziert werden:

Profiling & Targeting:
Bestehende Kundendaten lassen sich durch psychologische Merkmale bzw. das psychologische Profil der Kund:innen anreichern – datenschutzkonform und qualitativ hochwertig. So entstehen Zielgruppenprofile, die nicht nur beschreiben was, sondern auch warum etwas wirkt. Wer reagiert etwa besonders auf das Thema Zugehörigkeit – wer auf Leistung oder auf Kontrolle? (siehe das praktische Beispiel «AMAG» weiter unten)

Marketing & Kreation:
Basierend auf den psychologischen Profilen können kreative Umsetzungen entwickelt werden, die exakt auf die Bedürfnisse der Zielgruppen zugeschnitten sind – in Bildwelten, Sprache und Tonalität. Die Wirkung: mehr Relevanz, mehr Conversion, mehr Vertrauen.

Marktforschung:
Psychometrisches Profiling ergänzt klassische quantitative und qualitative Methoden durch emotionale Tiefe. Einstellungen, Wertelandschaften und Motivstrukturen werden sichtbar und eröffnen neue Möglichkeiten für fundierte Segmentierungen und differenzierte Insights. (siehe Beispiel «QoQa» weiter unten)

Produktentwicklung & CX-Design:
Ob in der Gestaltung von Nutzererlebnissen oder digitalen Services – wer psychologische Profile berücksichtigt, kann Erlebnisketten schaffen, die nicht nur logisch, sondern auch emotional kohärent sind. Das Ergebnis: höhere Akzeptanz, stärkere Markenbindung.

Abb. 3: Unterschiedliche Ansprache für das gleiche Thema führt zu mehr Impact in den KPIs (Beispiel Newsletter)

Ein Beispiel aus dem AMAG-Projekt zeigt, wie sich psychologische Zielgruppenprofile auf die kreative Umsetzung auswirken können. Links ein klassischer, rationaler Ansatz – rechts eine gezielte, profilbasierte Ansprache auf Basis der Dimension Stimulanz.

Case AMAG: 50 % höhere Conversion durch psychologische Zielgruppenprofile

Für AMAG wurden bestehende Kundendaten mit dem ASPECTS-Modell angereichert. Ziel war es, die Relevanz der Kundenkommunikation zu steigern. Das Ergebnis: psychologische Zielgruppenprofile, die Verhalten, Demografie und Produktinteressen in einem konsistenten Bild integrieren.

Auf Basis dieser Profile wurden neue Kommunikationsstrategien entwickelt. Der Impact war signifikant: Die Conversion Rates der Marketing-Newsletters stiegen um bis zu 50 %. Gleichzeitig veränderte sich die interne Perspektive – die Relevanz «weicher» Daten wurde mess- und sichtbar.

Case QoQa: Klares Zielgruppenverständnis für gezieltere Ansprache

QoQa ist eine Westschweizer Online-Einkaufplattform, die sorgfältig ausgewählte Produkte und Erlebnisse anbietet. Das Expert:innenteam findet kontinuierlich Shopping-Perlen, jeden Tag gibt es neue, exklusive und limitierte Angebote. QoQa ist zudem eine aktive Community, die sich intensiv untereinander und mit den Expert:innen zu den Angeboten austauscht und sich zu Offline-Events trifft.

Hier ging es darum, häufig online shoppende Menschen der französischen und deutschen Schweiz jenseits der Soziodemographie zu profilieren, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Sprachregionen sowie zwischen bestehenden Kund:innen und Nichtkund:innen besser zu verstehen.

Die Hypothese stand im Raum, dass sich Romands und Deutschschweizer Online-Shopper bezüglich ihrer Persönlichkeits- und Motivstruktur unterscheiden. Dies zeigte sich deutlich in den Ergebnissen: Westschweizer Online-Shopper und insbesondere bestehende QoQa-Kund:innen sind deutlich stimulanz- und affiliationsorientierter als die Deutschschweizer Konsument:innen, weshalb QoQa mit ihrem Konzept täglich neu erscheinender Angebote quasi offene Türen eingerannt hat. Dieses Profil hat sich in etwas weniger deutlicher Ausprägung auch bei Deutschschweizer QoQa-Kunden bestätigt.

Interessant war, dass bei Deutschschweizer Nichtkund:innen, dem zahlenmässig grössten Potenzial, das Profil «Emotion» vorherrscht.  Das bedeutet, dass die Nichtkund:innen empfänglich für emotionale Inhalte sind. Sie haben tendenziell stärkere emotionale Empfindungen, sind sensibler für emotionale Inhalte und reagieren emotionaler auf ihre Umwelt als die anderen Shopper-Typen.

Diese wertvollen Erkenntnisse stellen die Basis dar, um die Kommunikation für Online-Shopper:innen der Deutsch- und Westschweiz noch gezielter zu gestalten.

Fazit: Mehr Mensch. Mehr Wirkung.

Psychometrisches Profiling ersetzt keine bestehenden Methoden – es erweitert sie dort, wo herkömmliche Modelle an ihre Grenzen stossen. Nämlich dann, wenn es um emotionale Relevanz, Differenzierung und ethisch fundierte Kommunikation geht.

Gerade in datengetriebenen Zeiten ist es entscheidend, den Menschen hinter den Daten zu erkennen. Wer seine Kund:innen wirklich versteht, schafft Vertrauen – und Vertrauen ist der nachhaltigste Wettbewerbsvorteil der Zukunft.

Christina Hoffmann

Gründerin und CEO von Brandmind

christina.hoffmann@brandmind.ch, 079 55 837 81

Dr. Alexander Lorenz

Inhaber/CEO der Qualitest AG

alexander.lorenz@qualitestag.ch, 041 712 12 21

Christina Hoffmann (Diplom-Kauffrau & Executive MBA, CAS Positive Psychology, Studiengangsleiterin und Dozentin an der HWZ) ist Gründerin und CEO von Brandmind – der ersten Unternehmensberatung in der Schweiz, die psychometrisches Profiling, angewandte Verhaltenspsychologie und ethisches Marketing auf höchstem Niveau verbindet.

Alexander Lorenz ist Sozialpsychologe und Inhaber/CEO der Qualitest AG, einer Marktforschungsboutique, die mit der Kombination aus klassischer Marktforschung und verhaltenspsychologisch fundierter Segmentierung tiefere Insights generiert.

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Swiss Insights News #25-3

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