SI_News_05122024 Bodden_Seite_1

Prozentual oder absolut?

Welche Reduzierungsdarstellung überzeugt im Lebensmitteleinzelhandel und welche weiteren Einflussfaktoren spielen eine Rolle?

It’s all about the price tag

Angenommen, wir betrachten Käufer:innen im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) beim Erledigen ihres täglichen Einkaufs. Sie wählen Produkte von ihrer Einkaufsliste aus, bleiben spontan bei reduzierten Angeboten stehen und legen das eine oder andere Produkt in ihren Einkaufswagen. Warum üben Reduzierungen eine gewisse «magische» Anziehungskraft auf uns aus? Welche Faktoren führen
zu diesem (impulsiven) Verhalten, reduzierte Produkte zu erwerben? Und wie kann der LEH die Käufer:innen dazu bewegen, Produkte im Angebot zu kaufen, an die sie zuvor nicht gedacht hatten? Viele unterschiedliche Faktoren beeinflussen unser Kaufverhalten. Ein kostengünstiger und daher relevanter Faktor ist die optische Preisgestaltung.

Bisherige Untersuchungen erforschten hauptsächlich die Auswirkungen von prozentualen und absoluten Reduzierungen in hypothetischen Kaufszenarien, beispielsweise im Rahmen von (Online-)Experimenten. Dieser methodische Ansatz erfolgte jedoch isoliert von anderen Einflussfaktoren. Diese Studie in Zusammenarbeit mit einem führenden Lebensmitteleinzelhändler erforscht nun genau diese Lücke. Ziel ist es, die bisher nur in der Theorie nachgewiesenen Ergebnisse in einem realen Supermarkt-Setting zu überprüfen. Dafür wurde ein Zwei-Methoden-Ansatz verfolgt. Zum einen gab ein Online-Experiment Einsichten zu Bewertungen und Akzeptanz des Preisschildes aus Konsument:innensicht, zum anderen wurden im Rahmen eines Filialtests reale Abverkäufe gemessen. Der Fokus lag auf der Frage, ob Preisschilder mit prozentualen Reduzierungen auch unter nicht experimentellen Bedingungen zu höheren Abverkäufen führen als Preisschilder mit absoluten Reduzierungen. Zudem erforschte die Studie Moderationsfaktoren im Zusammenhang mit prozentualen Darstellungen und den Absatzzahlen im Filialtest. Dabei fiel die Wahl besonders auf bisher wenig oder gar nicht berücksichtigte Faktoren, wodurch eine Forschungslücke bezüglich Einflussfaktoren auf Produkt und Preis geschlossen wurde.

Dafür wurden mithilfe einer Clusteranalyse und anhand verschiedener Attribute möglichst ähnliche Referenz- und Testfilialen identifiziert. Insgesamt wurden 35 Filialen in den Test einbezogen. Letztendlich ergab sich ein Datensatz aus 5600 Produktdaten auf Basis von 438 verschiedenen Produkten und 873 Reduzierungen. Getestet wurde im Zeitraum vom 01.05.2022 bis zum 01.07.2022 in Deutschland.

Wirkung der Reduzierungsdarstellung auf den Abverkauf

Wie beeinflusst also die Art und Weise der Darstellung von Preisnachlässen die Konsument:innen in ihren Kaufentscheidungen? Die bisherige Forschung zeigt, dass diese Frage nicht einfach zu beantworten ist, sondern dass viele Faktoren Einfluss auf das Kaufverhalten von Konsument:innen haben. Generell beeinflussen prozentuale Darstellungen von Reduzierungen die Konsument:innen und führen zu höheren Abverkäufen von Produkten. Insgesamt ergab sich mit Einbezug der Baseline-Gruppe ein Gesamtanstieg des relativen Abverkaufs um 9,71 %. Das unterstützt die Annahmen des Preis-Promotion-Framings, nach dem wertmässig identische Reduzierungen nur aufgrund anderer Darstellung zu unterschiedlichen Kaufverhalten der Konsument:innen führen. Dies lässt auf unterbewusste, heuristische Wirkungen der prozentualen Reduzierungen schliessen, welche die subjektive Preiswahrnehmung von Konsument:innen beeinflussen. Damit ist die richtig eingesetzte optische Preisgestaltung ein geeignetes Mittel zur Steigerung von Abverkäufen.

Weil Beeinflussungsprozesse hingegen individuell ablaufen und im LEH nur einer von vielen Faktoren sind, mussten weitere relevante Moderationsfaktoren berücksichtigt werden. Der Fokus lag auf Faktoren, die zuvor nur wenig oder gar nicht betrachtet wurden. Dabei beeinflussen die Reduzierungstiefe und die Anzahl der Reduzierungen den Effekt der Stimulus-Gruppe auf den relativen Abverkauf positiv. Das bedeutet: Je höher die Reduzierung ist und je häufiger ein Produkt reduziert wird, desto besser ist der Abverkauf mit Preisschildern, die eine prozentuale Reduzierungsdarstellung haben. Ausserdem ist der Effekt der Abverkaufssteigerung besonders hoch bei Non-Food-Produkten.

Dahingegen moderieren sowohl der Produktpreis (unter 100 €), die Lebensdauer und die Woche der Reduzierung den Effekt der Stimulus-Gruppe auf den relativen Abverkauf nicht. Die besseren Abverkäufe bei dem Preisschild mit einer prozentualen Reduzierung sind also unabhängig von diesen Faktoren.

Implikationen für die Praxis

Die wichtigste Erkenntnis für die Praxis ist, dass Preisschilder mit einer prozentualen Reduzierung bei Produkten unter 100 € zu höheren Abverkäufen führen. Vor allem im LEH ist dieses Ergebnis von zentraler Bedeutung, weil dieser nur selten Produkte über 100 € verkauft. Weitergehend können auf zwei Ebenen Implikationen für die Praxis getroffen werden. Zum einen auf Konsument:innenseite, zum anderen auf Seite der Einflussfaktoren im LEH. Alle Implikationen beziehen sich auf den Ausgangspunkt, dass die Abverkäufe bei der prozentualen Reduzierungsdarstellung höher sind und von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden. Auf Konsument:innenseite führen höhere Reduzierungen zu einem höher wahrgenommenen Wert des Angebotes. Dies geht einher mit dem Trend, dass die relativen Abverkäufe steigen, je höher die Reduzierung ist. Demgegenüber hat die Reduzierungstiefe keinen Einfluss auf die wahrgenommene Qualität des Produktes der Konsument:innen. Selbst hohe Reduzierungen führen also nicht zu schlechteren Qualitätsbewertungen und damit auch nicht zu potenziell schlechteren Abverkäufen.

Auf Seite des LEH ist festzuhalten, dass höhere Reduzierungen zu besseren Abverkäufen führen. Ausserdem konnte festgestellt werden, dass selbst bei geringen Reduzierungen mit einer prozentualen Reduzierung eine Steigerung der Abverkäufe erzielt wurde. Es existieren also nicht – wie zuvor angenommen – gewisse Schwellenwerte, bei denen eine Reduzierung wirkt. Lebensmitteleinzelhändler sollten daher geringe Reduzierungstiefen nicht per se ausschliessen. Vielmehr sollte die optimale Reduzierungstiefe abgewogen werden, um Gewinne zu maximieren und Verluste zu vermeiden. Gleiches gilt für die Anzahl an Reduzierungen, weil mit jeder Reduzierung auch die Reduzierungstiefe ansteigt. Ausserdem konnte vor allem der Abverkauf von Non-Food-Produkten durch die prozentuale Darstellung gesteigert werden. Der Grossteil der Aktionsartikel setzt sich aus diesen zusammen, weswegen diese Erkenntnis von besonderer Relevanz ist.

Leonie Bodden

Gewinnerin Nachwuchsforscherinpreis 2024 des bvm/vmö/Swiss Insights

leoniebodden@gmail.com

Die Autorin
Leonie Bodden absolvierte ihren Master Kommunikationsmanagement und -analyse an der Uni
Hohenheim. Aktuell ist sie als Produktmanagerin für die digitalen Produkte der Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG tätig. Für ihre Masterarbeit «It’s all about the Price Tag: Ein empirischer Vergleich von prozentualen vs. Absoluten Preisveränderungen im LEH-Kontext» wurde sie mit dem Nachwuchsforscherinpreis 2024 der DACH-Verbände (bvm/vmö/Swiss Insights) ausgezeichnet.

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Swiss Insights News #24-10

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