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Einführung von Dynamic Pricing: Messung der Effekte in der Hotelbranche

Viele Schweizer Hotels setzen noch nicht auf Dynamic Pricing, während es im Tourismus seit Jahren Teil der Preisgestaltung ist. Die Resultate unseres Forschungsprojekts geben Anlass, Dynamic Pricing für die Hotelbranche zu empfehlen.

Hintergrund und Zielsetzungen

Dynamic Pricing findet in vielen Branchen mehr und mehr Verbreitung. Dabei werden die Preise in Abhängigkeit verschiedener Nachfrageparameter fortlaufend angepasst. Insbesondere in der Tourismusbranche ist Dynamic Pricing mittlerweile üblich – z.B. bei Fluggesellschaften oder bei Hotels. Jedoch gibt es immer noch zahlreiche Hotels, auch in der Schweiz, die nicht auf Dynamic Pricing setzen. Gründe hierfür sind unter anderem Unsicherheiten bezüglich geeigneter Softwarelösungen, aber auch bezüglich der Kundenreaktionen.

An diesen Unsicherheiten setzte ein gemeinsames Forschungsprojekt der ZHAW School of Management and Law und der RoomPriceGenie AG an. Die RoomPriceGenie AG bietet eine Softwarelösung für Dynamic Pricing an.

Abbildung 1: Teilnehmende Hotels

Gemeinsam wurden 37 Hotels gewonnen, an diesem Forschungsprojekt teilzunehmen und im Projektzeitraum 2021 und 2022 Dynamic Pricing einzuführen. Abbildung 1 zeigt die geografische Verteilung der teilnehmenden Hotels, wobei die Farben die Kantone kennzeichnen und die Grösse der Kreise die Anzahl der teilnehmenden Hotels je Standort symbolisiert. Es nahmen sowohl Hotels in Städten als auch Hotels in Bergregionen am Projekt teil.

Die Effekte der Einführung von dynamischem Pricing wurden aus drei Perspektiven gemessen:
• Perspektive 1: Veränderung der internen Kompetenzen;
• Perspektive 2: Veränderung der Gästezufriedenheit;
• Perspektive 3: Veränderung der finanziellen Performance.

Perspektive 1: Veränderung der internen Kompetenzen

Die teilnehmenden Hotels wurden zu Beginn des Projekts gebeten, einen Fragebogen auszufüllen, in dem ihre internen Kompetenzen in Bezug auf Pricing sowie ihr wahrgenommener Erfolg im Vergleich zum Wettbewerb anhand etablierter Skalen abgefragt wurden. Nach der Einführung der Softwarelösung und mindestens sechs Monaten Erfahrung mit Dynamic Pricing wurden sie nochmals aufgefordert, ihre Beurteilung abzugeben. Anhand dieser Vorher-Nachher-Messung bei insgesamt 33 Hotels – vertreten durch jeweils eine Person aus dem Management – zeigte sich, dass sich die internen Kompetenzen in Bezug auf Pricing signifikant von 3.6 auf 4.2 (Skala 1-6) verbessert hatten. Ebenfalls erhöhte sich der wahrgenommene Erfolg im Vergleich zum Wettbewerb von 3.4 auf 4.0 (Skala 1-6). Betrachtet man die einzelnen Items, zeigt sich in Tabelle 1 insbesondere eine Verbesserung bei den folgenden Aspekten:
• «Wir verwenden unsere Pricing-Fähigkeiten und -Systeme, um schnell auf Änderungen im Markt zu reagieren.»
• «Wir betreiben ein effektives Pricing.»
• «Wir verwenden Systeme und Tools, um Pricing-Entscheidungen zu unterstützen.»
• «Wir haben einen höheren Umsatz pro verfügbares Zimmer als unsere Wettbewerber.»
• «Wir steigern unseren Umsatz mehr als unsere Wettbewerber.»
• «Wir haben mehr Pricing-Power als unsere Wettbewerber.»

Tabelle 1:
Vorher-Nachher-Messung in Bezug auf die internen Kompetenzen

Doch wie sind die Effekte bei den Gästen? Dies steht nachfolgend im Vordergrund.

Perspektive 2: Veränderung der Gästezufriedenheit

Auch in Bezug auf die Veränderung der Gästezufriedenheit wurde eine Vorher-Nachher-Messung durchgeführt. Die Hotels wurden gebeten, eine einheitliche Gästebefragung zu versenden und mindestens 30 Antworten zu generieren – und zwar vor und nach der Einführung von Dynamic Pricing. Insgesamt 16 Hotels lieferten eine ausreichende Datengrundlage mit insgesamt jeweils mehr als 1’000 Gästeantworten vor und nach der Einführung der Softwarelösung.

Dabei zeigten sich folgende Ergebnisse, wobei eine Gewichtung stattfand, um alle 16 Hotels gleichermassen zu berücksichtigen:
• Die Gesamtzufriedenheit veränderte sich nicht signifikant von 5.21 auf 5.27 (Skala 1-6).
• Die wahrgenommene Preisfairness veränderte sich nicht signifikant von 5.00 auf 4.93 (Skala 1-6).
• Die Weiterempfehlungsabsicht veränderte sich nicht signifikant von 8.82 auf 8.73 (Skala 1-10).

Somit hat die Einführung von Dynamic Pricing keinen Effekt auf die Gästezufriedenheit. Dies liegt unter anderem daran, dass bereits vor der Einführung von Dynamic Pricing 74.5% der befragten Personen glaubten, dass die Preise dynamisch gebildet werden. Nach der Einführung von Dynamic Pricing lag dieser Anteil bei 78.1%. Auch der Net Promoter Score (NPS) blieb nahezu konstant (60.6% vs. 58.4%).
Somit zeigen sich im Hinblick auf die Veränderung der internen Kompetenzen (Perspektive 1) und im Hinblick auf die Veränderung der Gästezufriedenheit (Perspektive 2) Ergebnisse, die für die Einführung von Dynamic Pricing sprechen. Doch können die Hotels auch von einer positiven Veränderung der finanziellen Performance profitieren?

Perspektive 3: Veränderung der finanziellen Performance

Um dies zu untersuchen, wurden die folgenden branchenüblichen Kennzahlen herangezogen:
• Zimmerbelegung bzw. Occupancy (in %)
• Durchschnittsrate bzw. Average Daily Rate (in CHF)
• Umsatz pro verfügbares Zimmer bzw. Revenue Per Available Room (in CHF)

Insgesamt 21 Hotels lieferten diese Kennzahlen für einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten vor der Einführung von Dynamic Pricing und von mindestens 8 Monaten nach der Einführung von Dynamic Pricing. Die ersten beiden Monate nach der Einführung der Softwarelösung wurden in der Analyse nicht berücksichtigt, da die Buchungen für Aufenthalte in diesem Zeitraum meist noch vorher getätigt wurden.
Eine aggregierte Analyse zeigt folgende Ergebnisse:
• Die Zimmerbelegung stieg von 47% auf 59%.
• Die Durchschnittsrate stieg von 166 CHF auf 173 CHF.
• Der Umsatz pro verfügbares Zimmer stieg von 89 CHF auf 107 CHF.

Abbildung 2: Vorher-Nachher-Messung in Bezug auf die
finanzielle Performance

Abbildung 2 verdeutlicht diese Ergebnisse. Im Hinblick auf diesen Vorher-Nachher-Vergleich ist jedoch anzumerken, dass es sich um ein einfaches Design ohne Kontrollgruppe handelt, welches weitere externe Effekte nicht vollständig ausschliessen kann.

Limitationen und Implikationen

Diese Limitation sollte in zukünftigen Untersuchungen berücksichtigt werden. Eine Möglichkeit wäre, weitere Hotels für ein Forschungsprojekt zu akquirieren, die jedoch zunächst auf die Einführung von Dynamic Pricing verzichten und als Kontrollgruppe dienen. Alternativ könnten Benchmarks von vergleichbaren Hotels herangezogen werden, die in diesem Forschungsprojekt nicht verfügbar waren.
Trotz dieser Einschränkung ermutigen die Ergebnisse dazu, Dynamic Pricing einzuführen. Hotels können sowohl ihre internen Kompetenzen als auch ihre finanzielle Performance verbessern, ohne dass sich die Gästezufriedenheit verändert. Dies liegt vor allem daran, dass die Gäste bereits erwarten, dass die Preise dynamisch gebildet werden.

In anderen Branchen, in denen Dynamic Pricing weniger verbreitet ist, können die Effekte anders ausfallen, da dann z.B. die wahrgenommene Preisfairness sinken kann, was sich wiederum auf weitere Einstellungs- und Verhaltensgrössen auswirken kann. Dann kann der vorgestellte Ansatz ein hilfreiches Instrument sein, um einen Piloten durchzuführen und die Effekte auf Basis der drei vorgestellten Perspektiven zu messen.

Steffen Mueller

Kontakt
Prof. Dr. Steffen Müller

Dozent, Fachstelle Behavioral Insights & Pricing ZHAW School of Management & Law

steffen.mueller@zhaw.ch
+41 58 934 79 24

Die Autoren

Prof. Dr. Steffen Müller
Dozent, Fachstelle Behavioral Insights & Pricing ZHAW School of Management & Law
Dr. Nina Heim
Dozentin, Fachstelle Behavioral Insights & Pricing ZHAW School of Management & Law
Vera Lenggenhager
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachstelle Behavioral Insights & Pricing ZHAW School of Mgm & Law
Dr. Ari Andricopoulos
CEO, RoomPriceGenie AG

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Swiss Insights News #6

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